Die Fähre Kronsnest
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Die Fähre Kronsnest
Eine überaus wichtige Verkehrsverbindung für das Gebiet des Kirchspiels Seester stellten in früheren Zeiten die Fähren über die Krückau dar. Für den Unterlauf des Flusses zwischen Elmshorn und der Mündung zur Elbe sind mindestens drei Fähren nachzuweisen, deren Ursprünge in der frühen Neuzeit zu sehen sind.
Aus Richtung Elmshorn kommend befand sich die erste Fähre zwischen Spiekerhörn (Raa-Besenbek) und dem Seesteraudeich in Höhe des Kirchensteigs (Flusskilometer 6). Diese Verbindung wurde "Spiekerhörner Fähre" oder auch "Königliche Fähre" genannt, weil der Betrieb auf ein königlich-dänisches Privileg zurückging. Auf Spiekerhörner Seite lag direkt am Deich das Fährhaus, das noch heute als "Restaurant Fährhaus Spiekerhörn" betrieben wird. Das Privileg zum Betrieb der Fähre war mit der Wirtshaus-Konzession verbunden. Auf der Seesteraner Seite befand sich eine Glocke, mit der der Fährmann zum "Hol över" herüber gerufen wurde. Dieser Flussübergang stellte auf dem Südufer der Au die Verlängerung des Fußsteigs zur Kirche, dem Kirchensteig, dar und war so die kürzeste Verbindung zwischen den Kirchspielen Seester und Neuendorf. Die Spiekerhörner Fähre stellte zu Beginn der 1960er Jahre ihren Betrieb ein.
Die zweite Fährverbindung lag bzw. liegt bei Flusskilometer 7,5 zwischen Kronsnest (Neuendorf) und Seesteraudeich in Höhe der Hausnummer 98 und wurde "Kronsnester Fähre" genannt. Siehe hierzu unser Hauptartikel.
Die dritte Fährverbindung über die Krückau bei Flusskilometer 9,5 verband Seestermühe mit dem heutigen Ortsteil Fleien in Neuendorf. Diese Fähre soll um 1600 von dem damaligen Seestermüher Gutsherrn Kay von Ahlefeld an der Stelle des späteren Störenhauses und der Zollstation (1820-1895) angelegt worden sein und war auch eine Wagenfähre. Da es bis zum Bau der Marschchaussee (Kurzenmoor) noch keine ganzjährig befahrbare Straßenverbindung von Seestermühe nach Elmshorn gab, benutzten die Seestermüher Bauern und Fuhrleute diese Fährverbindung nach Fleien, um über Neuendorf nach Elmshorn zu gelangen. Der jeweilige Besitzer oder Pächter des Störenhauses war auch Inhaber der Fährgerechtigkeit.
Kronsnester Fähre
Über die Anfänge dieser Fähre sind leider keine genauen Daten überliefert. Im "Neuendorffischen Schuld- und Pfandprotocoll" lässt sich jedoch die Katenstelle, die mit der Fähre verbunden war, bis ins Jahr 1576 zurückverfolgen. Aus dem "Neuendorffisches Kirchen Protocoll" von Pastor Christian Grassau, das dieser um 1719 niederschrieb, geht hervor, dss der jeweilige Fährmann dem Besitzer des Gutes Neuendorf eine jährliche Abgabe zu leisten hatte und dieser im Gegenzug dafür Sorge trug, dass keine weitere Fähre im Gutsbezirk errichtet werden durfte.
Die Bedeutung dieser Fährverbidung als Teil eines alten Handelswegs wird durch die Tatsache unterstrichen, dass es bis 1878 an dieser Stelle auch eine Wagenfähre gab. Diese war 36 Fuß lang, in der Mitte 10 und an den Enden 9 Fuß breit und konnte ein Fuhrwerk und zwei Cabriolets (leichte, einspännige Gabelwagen) transportieren. Auch Hornvieh und Pferde wurden mit dieser Fähre übergesetzt. Die 4,15 m lange und 1,55 m breite Kahnfähre beförderte dagegen Personen, Handwagen, Karren, Kleinvieh und Geflügel, später dann auch Fahrräder.
Sie war für 10 Personen zugelassen und wurde durch "Wriggen" fortbewegt. 1899 kaufte Bandreißer Heinrich Grabener das Fährhaus, die Fähre und eine kleine Landwirtschaft für 10.000 M von Johann Christian Schenck. Im gleichen Jahr erhielt Grabener auch eine Schankerlaubnis und wurde so zum Nebenerwerbsgastwirt. 1878 kostete die Überfahrt 10 Pfennige pro Person, nach und nach stieg der Tarif auf 50 Pfennig pro Person und 80 Pfennig für ein Fahrrad.
Zu den bekanntesten Persönlichkeiten an der Krückau gehörte Jakob Grabener, ein Sohn Heinrich Grabeners, der von 1922 bis 1965 als Fährmann in Kronsnest fungierte. Fast ebenso bekannt wie der Fährmann selbst waren dessen Hühner, die täglich auf die Seesteraudeicher Seite übergesetzt wurden und dort den Tag im Apfelhof verbrachten. Das allabendliche Ritual des freiwilligen Wieder-an-Bord-Gehens der Grabner'schen Hühnerschar konnte in den 1960er Jahren sogar im Fernsehen bewundert werden. Im Volksmund wurde die Fähre deshalb auch "Hühnerfähre" genannt.
1968 stellte die Fähre Kronsnest als letzte verbliebene Krückaufähre ihren Betrieb ein. Mit dem Auto war es nun viel einfacher, den rund 15 Kilometer weiten Umweg von Seester nach Neuendorf über Elmshorn zu nehmen, so dass die Fähre immer seltener genutzt wurde und wirtschaftlich an Bedeutung verlor.
Die Fähre Kronsnest als Kulturgut und Touristenattraktion
24 Jahre nach Ende des Fährbetriebs entstand im Frühjahr 1992 die Idee, die Kronsnester Fähre wiederzubeleben. Herta Harmjanz aus Neuendorf und einige Mitstreiter gründeten für diesen Zweck den "Verein zur Förderung und Erhaltung der historischen Kronsnester Fähre als Denkmal auf dem Wasser e.V." Bei der ersten Hauptversammlung 1993 zählte der Verein schon 102 Mitglieder. Im Sommer 1992 gelang es dem Vereinsvorstand, die bürokratischen Hürden zu meistern. Insgesamt mussten 39 Anträge bei den verschiedenen Kreis-, Landes- und Bundesbehörden gestellt werden. Im Winter 1992/93 wurde bei einem Bootsbauer in Freiburg an der Elbe der neue Fährkahn aus Eichenholz nach historischem Vorbild gebaut mit einer Länge von rund 4,40 m und einer Breite von ca. 1,80 m, der im April 1993 an seinen Liegeplatz nach Kronsnest transportiert.
Mit Hilfe der freiwilligen Feuerwehren aus Seester und Neuendorf wurden die noch vorhandenen, aber unter Schlick begrabenen Spechen (Steinpflasterwege am Ufer) freigelegt und instandgesetzt. Freiwillige Fährmänner wurden gesucht und unterzogen sich einer schriftlichen Prüfung in der sie beweisen mussten, dass sie mit dem Fährkahn umgehen konnten. Im April 1993 wurde der neue Fährkahn auf den Namen "Hol över" getauft. Anschließend gab es eine Probefahrt, an der auch die Bürgermeister von Seester und Neuendorf teilnahmen.
Am 1. Mai 1993 war es schließlich soweit. Mit einem großen Volksfest wurde die Wiederinbetriebnahme der Fähre gefeiert. Die Pastoren aus Seester und Neuendorf hielten in Kronsnest unter freiem Himmel einen Gottesdienst ab. An die 2.000 Besucher verfolgten im Anschluss an beiden Ufern die Einweihung der Fähre durch den Landwirtschaftsminister Hans Wiesen. Bei Abschluss der ersten Fährsaison Ende September 1993 konnte der Fährverein trotz des verregneten Sommers auf die stolze Zahl von über 7.600 Fahrgästen vorweisen. Die Fährleute waren insgesamt 45 Tage im Einsatz und setzten so im Durchschnitt 169 Personen pro Tag über den Fluss.
Seitdem bietet nun in den Sommermonaten regelmäßig zwischen dem 1. Mai (Tag der Arbeit) und dem 3. Oktober (Tag der deutschen Einheit) an Wochenenden und Feiertagen einen Fährbetrieb an, der vor allem von Radwanderern und Ausflüglern gerne genutzt wird und jährlich rund 7.000 Gäste auf die alt hergebrachte Weise, dem sogenannten „Wriggen“ übersetzt. Beim „Wriggen“ wird der Eichenkahn mit einem am Heck befindlichen Ruder mittels einer speziellen Technik über den Fluss bewegt. Da die Fährleute ihre Wartezeit auf der Kronsnester Seite verbringen, steht am Seesteraner Ufer traditionell eine Glocke. Mit dem Läuten dieser Glocke und dem Ruf „Hol över“ (niederdeutsch für „Hole mich/uns rüber“) können so die dort wartenden Fahrgäste auf sich aufmerksam machen. Die Saison wird alljährlich am 1. Mai mit einem großen Fest zu beiden Flussseiten eingeläutet.
Ein besonderes Jahr für die Fähre war das Jahr 2009. Da zu dieser Zeit das Krückausperrwerk in Seestermühe, neben der Fähre Kronsnest die einzige Möglichkeit für Fußgänger und Radfahrer zwischen der Elbe und Elmshorn über die Krückau zu gelangen, aufgrund einer umfassenden Sanierung komplett gesperrt war, weitete die Fähre ihren Betrieb deutlich aus und bot Überfahrten an sieben Tagen in der Woche an. 15.191 Passagiere nutzten das Angebot und ließen sich in dieser Saison mit der Fähre Kronsnest über den Fluss übersetzen.
In den Jahren 2020 und 2021 musste der Fährbetrieb allerdings gänzlich ruhen. Grund war die weltweite Corona-Pandemie mit dem Virus "Covid-19". Zwischen den sogenannten "Lockdowns", dem fast vollständigen Herunterfahren des öffentlichen Lebens im ganzen Land galten zur Eindämmung des Virus harte Abstands- und Hygieneregeln, die sich auf der kleinen Fähre nicht einhalten ließen, so dass dem Fährverein in beiden Jahren nur die Absage des Fährbetriebs und aller geplanten Veranstaltungen blieb.
Quelle:
P. Danker-Carstensen: Gemeinde Seester - Geschichte eines Dorfes in der Elbmarsch und ein Beitrag zur Geschichte des Kirchspiels Seester, 1993. Restexemplare der rund 300-seitigen Dorfchronik sind bei der Gemeinde Seester käuflich zu erwerben.
Standort:
Seesteraudeich 98, 25370 Seester
Zugang zum Fähranleger
Weitere Infos:
• https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%A4hre_Kronsnest