Der Schulsteig
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Der Schulsteig
Während man früher die Straßen und Fahrwege überwiegend für das Bewegen von Fuhrwerken und leichten zweirädrigen Kutschen, Karriolen oder Gigs nutzte, so spielte sich der Fußgängerverkehr auf Fußsteigen ab. Fußsteige waren schmale Wege, bisweilen mit Sand bestreut oder mit "Tretsteinen" im Abstand eines kleines Schritts belegt. Hin und wieder waren sie sogar mit einem Geländer versehen und im Verlauf von Grüppen oder Wettern mit kleinen Brücken ausgestattet. Diese nur mit Sand oder Kies belegten Fußwege wurden gut gepflegt und es wurde darauf geachtet, dass sie nicht durch freilaufendes Vieh zertreten oder beschmutzt wurden.
Wohl schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurde, ausgehend vom Eschdeich in Seestermhe über Neuen- und Altenfeldsdeich und weiter über den Mühlendeich nach Seesteraudeich am Deichfuß entlang ein erhöhter Fußsteig angelegt. Dieser Stieg lief dicht an de Häusern entlang und war für die meisten Häuser die einzige Verbindung zu anderen Ortsteilen. Diese Steige verschwanden dann mit dem Ausbau der entsprechenden Straßen am Deich entlang.
Die Fußsteige hatten meist zentrale Einrichtungen wie Kirche oder Schulen als Endpunkte. In Seester waren dies der Schulsteig, der von Kurzenmoor aus kommend und der Kirchensteig, der von Seesteraudeich aus kommend auf die Kirche und die Schule zuführten. Der Ortsteil Kurzenmoor war zuvor lediglich über Klein Sonnendeich und die früher bis dort hin durchgehende Twiete mit dem Ortsteil Seester verbunden. Der Kirchensteig führte, anders als heute, über das heutige Grundstück Seesteraudeich 44 noch über den Audeich hinweg bis an das Krückauufer, wo die "Spiekerhörner Fähre" die Überfahrt nach Raa-Besenbek ermöglichte. Über das Alter der beiden Fußwege lassen sich nur Vermutungen anstellen. Kartografisch eindeutig lassen sie sich zum ersten Mal 1786 auf einer Flurkarte des Distriktes Kurzenmoor nachweisen. Dort werden beide Wege als "Fuß Steige zur Fährde" ("Fußsteige zur Fähre") bezeichnet. Ob aus dieser Bezeichnung auf einen regen Verkehr über die Krückau ins Kirchspiel Neuendorf zu schließen ist, muss hier offen bleiben. Deutlich wird jedoch, dass die heutige Bezeichnungen dieser Wege die Hauptfunktion dieser Verbindungen beschreibt.
Der Schulsteig
Das Fortkommen auf diesen Fußwegen in der Marsch litt unter einigen Schwierigkeiten. Sie waren durch die Witterungseinflüsse oft unpassierbar, so dass die Schulkinder die Schule in Seester nur auf Stelzen erreichen konnten. Um die Verbindung von Kurzenmoor zur Kirche und Schule in Seester zu verbessern, wurde 1835 von Kurzenmoorer Eingesessenen der dann später so genannte Schulsteig aufgeschüttet. Dazu wurde 1832 das benötigte Land (2 Morgen Ackerland und 407 Quadrathen Wiesenland) von dem Hufner H. Koopmann angekauft und in der Mitte der Weg mit Erde, Kies und Sand aufgefahren. Koopmann erhielt dann jährlich 40 Mark von der Dorfschaft Kurzenmoor zur Entrichtung der Abgaben für dieses Gelände. Die beiden Landstreifen zu beiden Seiten des Steiges wurden von der Dorfschaft Kurzenmoor verpachtet. Diese hatte auch den Steig zu unterhalten. Dass die Wegeverhältnisse sich durch die Anlage des Schulsteigs zwar gebessert hatten, aber noch lange nicht zufriedenstellend waren, beschreibt Claus Hell (1818-1873) aus Kurzenmoor:
Der Fußsteig von Kurzenmoor nach Seester, jetzt Schulsteig genannt und der jetzt von Euch meistens trockenen Fußes zu passieren ist, war früher nicht höher wie das nebenliegende Weideland. Er lief jeden Winter regelmäßig unter Wasser, mitunter so hoch, daß an ein Passieren außer mit Stelzen oder Pferden nicht zu denken war. Da wurde von der Gemeinde beschlossen, einen stets zu passierenden erhöhten Fussweg herzustellen. Jeder, der Pferde hatte, mußte fahren, wer keine Pferde hatte, mußte Handdienste leisten. Es waren bereits 2.800 Fuder Sand angefahren, als das niedrigste Stück von der Kurzenmoorer Straße bis zur Wetternstraße [also der östliche Teil des Weges, der von Klein Sonnendeich bis nach Elmshorn (Heinrich-Hertz-Straße) führte und heute nur noch im Bereich zwischen dem Neuen Weg und Elmshorn vorhanden ist, Anm. des Autors] einen Fuß höher gemacht war.
Sein Sohn, der ebenfalls Claus Hell (1856-1930) hieß, berichtet in seinen Lebenserinnerungen über diese Probleme:
Wenn man bedenkt, daß der Schulsteig jetzt um 1930 auf der bezeichneten Strecke drei bis vier mal so hoch aufgefahren ist, so kann man ruhig behaupten, daß ca. 10.000 Fuder Sand dazu gehört haben, um eine Strecke in einer Länge von ca. 350 Metern in den heutigen Zustand zu setzen.
Da der Schulsteig auch nach diesen mehrfachen Aufschüttungen keine Straße darstellte, durfte er auch nicht von Fuhrwerken bzw. Fahrzeugen benutzt werden. Aus diesem Grunde gab es am Westende des Schulsteigs in Seester eine Pforte, die nur den Fußgänger- bzw. später auch den Fahrradverkehr zuließ und nur bei Beerdigungen für den Leichenzug geöffnet wurde.
Der Schulsteig wird zur Straße "Verbindungsweg"
1963 wurde der Schulsteig, bis dahin nur ein ca. 2 Meter breiter Schlackenweg für Fußgänger und Radfahrer, zu einer breiten Straße ausgebaut. Diese Straße bedeutete für alle motorisierten Verkehrsteilnehmer eine wesentliche Verkürzung der Strecke nach Elmshorn. Um in den Genuss der Landes- und Kreiszuschüsse zu kommen, ohne die ein Ausbau zu einer öffentlichen Straße von 5 Metern Breite nicht möglich war, musste deutlich gemacht werden, dass es sich hierbei um einen Straßenbau zum Zwecke der Deichverteidigung handelte. Aus diesem Grunde wurde der "Schulsteig" in "Verbindungsweg" umbenannt, also der Weg, der die Landstraße mit dem Deich verband.
Erst als man meinte, dass sich niemand mehr an diesen Schachzug erinnern würde, wurde die Straße wieder in "Schulsteig" umbenannt.
Quelle:
P. Danker-Carstensen: Gemeinde Seester - Geschichte eines Dorfes in der Elbmarsch und ein Beitrag zur Geschichte des Kirchspiels Seester, 1993. Restexemplare der rund 300-seitigen Dorfchronik sind bei der Gemeinde Seester käuflich zu erwerben.
Standort:
Schulsteig 1, 25370 Seester
gegenüber Feuerwehrhaus
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